Felicitas Kukuck (1914–2001)

Felicitas Kukuck © Originalfotografie mit Rahmen. Archiv Frau und Musik
Felicitas Kukuck © Originalfotografie mit Rahmen. Archiv Frau und Musik

Felicitas Kukuck wurde am 2. November 1914 als Tochter von Prof. Dr. med. Otto Cohnheim und seiner Ehefrau, der Sängerin Eva Cohnheim, geboren. 1916 änderte ihr Vater den jüdischen Namen in Kestner um. Felicitas bekam damit ebenfalls den Nachnamen Kestner.

Bereits vor ihrem ersten Klavierunterricht entstand in Felicitas Kukuck die Liebe zur Musik. In ihrem Tagebuch beschreibt sie, wie sie kleine Verse aus Bilderbüchern sang, die ihre Mutter ihr vorgelesen hatte. Durch den Klavierunterricht ab Felicitas Kukucks zehntem Lebensjahr wurde das Improvisieren mit ihrem Bruder in „geordnete Bahnen gelenkt“. Fräulein Wohlwill, die bereits Kukucks ältere Schwester unterrichtete, spielte sie damals die As-Dur Etüde von Chopin vor. In einem Interview mit Ulrike Loos beschreibt Kukuck dieses Erlebnis als eine Art Erweckungsmoment: „In dem Stück war der ganze Klangzauber auf schwarzen Tasten eingefangen“. Neben ihrer Klavierlehrerin war Felicitas Kukucks Mutter ihre große Förderin. Eva Cohnheim war Altistin und Kukuck begann früh, sie am Klavier zu begleiten: „[…] Dann hat sie mich doch sehr stark dazu angehalten, dass ich auch Lieder begleiten lerne. Und das hab‘ ich mit Wonne getan. Brahms-Lieder und auch schwere Sachen, Schubert und sowas. Dann hat sie aber auch Arien aus der Matthäus-Passion verlangt von mir und das ist natürlich ein bisschen schwerer. Das hab‘ ich natürlich nicht gleich mit zehn Jahren gekonnt. Aber ich hab‘ sie immer wieder begleitet.“

Auf diese Erfahrungen ist auch die lebenslange Verbindung Felicitas Kukucks zur Vokalmusik zurückzuführen, da sie so lernte, die Komposition vom Gesang her zu denken: Man muss immer wissen, wo geatmet wird.“

„Schweigen war übrigens meine Überlebenstaktik.“

Dass sie Jüdin war, erfuhr Felicitas Kukuck erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen, als sie als „Vierteljüdin“ eingestuft und ihr ein Studium an der Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik in Berlin verwehrt wurde. Erste Repressionen erlebte sie bereits während ihrer Schulzeit. Nachdem die Lichtwarckschule 1933 gleichgeschaltet wurde und der Schulleiter Heinrich Landahl gehen musste, trat ein, laut Kukuck, „180 Prozent Nazi“ an seine Stelle. Sie verließ daraufhin die Schule. Dennoch kam Auswanderung für Felicitas Kukuck nie infrage: „Ich wollte in Deutschland bleiben, im Lande Bachs und Mozarts und Brahms und Schuberts“.

Titelblatt "Der Mann Mose" © Archiv Frau und Musik
Titelblatt “Der Mann Mose” © Archiv Frau und Musik

1936 legte sie die staatliche Privatmusiklehrerprüfung im Fach Klavier ab, erhielt jedoch wegen ihres Jüdischseins keine Unterrichtserlaubnis. Sie entschied sich deshalb, als Studentin an der Musikhochschule zu bleiben. In ihren letzten beiden Schuljahren hatte sie gelernt, Querflöte zu spielen und konnte dieses Instrument somit ohne Aufnahmeprüfung studieren. Ihr Lehrer wurde Gustav Scheck, ein aus Freiburg stammender Flötist und Musikpädagoge. 1936 ging Kukuck auf Anraten ihres Harmonielehrers in Paul Hindemiths Kompositionsklasse. Die Komponistin bezeichnete dieses Ereignis als Wende in ihrem Leben. So besuchte Felicitas Kukuck von 1937 bis zur Emigration Hindemiths im Jahr 1938 drei bis viermal wöchentlich seinen Unterricht. An der Musikhochschule hatte Felicitas Kukuck laut eigener Aussage keine Probleme mit Nationalsozialist*innen. Bis auf den damaligen Hochschulleiter, auf dessen Verschwiegenheit Kukuck sich verlassen konnte, wusste niemand von ihrer jüdischen Abstammung. So hatte Felicitas Kukuck während ihres Studiums, neben der Tatsache, dass sie ihr Wunschstudium zur Schulmusikerin nicht belegen konnte, keine weiteren Einschränkungen. Als Anfang 1939 ein Gesetz erlassen wurde, welches besagte, dass alle „Juden und jüdische Mischlinge, die ihren jüdischen Namen geändert hatten“, diesen wieder annehmen müssen, bestellte ihr Freund Dietrich Kukuck kurzerhand ein Hochzeitsaufgebot. Er fand einen Standesbeamten, dem er nicht Felicitas‘ Geburtsurkunde mit dem Namen Cohnheim und den Ahnenpass vorlegen musste. Am 3. Juli 1939 wurden die beiden standesamtlich getraut.

„Sprache ist etwas, dass man komponieren kann.“

Also Komponistin sah sich Felicitas Kukuck sehr stark in der Nachfolge Paul Hindemiths: „Meine Musik, meine Kompositionen sind tonal. Ich beziehe mich dabei auf die Obertonreihe, wo die verschiedenen Intervalle auch verschiedene Stellenwerte haben. Oktave und Quinte sind die elementaren Intervalle, da sie die einfachsten Schwingungsverhältnisse haben.“ Das betont Kukuck 1988 in einem Gespräch mit Ruth Exter, in dem sie ihren Kompositionsprozess am Beispiel eines Vokalwerks beschreibt: „[…] Der nächste Schritt ist dann die Komposition einer Melodie, die sich auf diesen Text oder auf Textabschnitte bezieht. Ich überprüfe dann diese Melodie auch hinsichtlich der Verwirklichung meiner kompositorischen Prinzipien (…). Nach diesem Kompositionsschritt kontrolliere ich den harmonischen Zusammenhang meiner Kompositionen, indem ich die zweite Stimme einer Basslinie zu der Melodie hinzukomponiere. Diese Stimme dient der Feststellung der harmonischen Gestalt der Melodie und ist deshalb später durchaus wieder veränderbar.“

Felicitas Kukuck dienten immer wieder Texte als Grundlage ihrer Kompositionen. Volkslieder, christliche Texte aus Chorälen oder Psalmen sowie Gedichte waren in vielen Fällen der Einstieg zu ihren Kompositionen. Welchen Stellenwert Texte für Felicitas Kukuck hatten, wird eindrucksvoll im Interview mit ihrer Tochter deutlich. Dort erzählt sie zunächst, dass sie keine Kompositionen über ihre Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg verfasst habe, da Kunst und Krieg für sie nicht zusammenpassten. Auf die Nachfrage ihrer Tochter, warum sie dann ein Requiem über Hiroshima komponiert habe, antwortet Felicitas Kukuck, dass sie nicht den Krieg, sondern einen sehr guten Text vertont habe.

S. 18 aus "Der Mann Mose" © Archiv Frau und Musik
S. 18 aus “Der Mann Mose” © Archiv Frau und Musik

Felicitas Kukuck komponierte zu Lebzeiten über 1000 Werke. Diese reichen von sogenannter Gebrauchsmusik bis hin zu abendfüllenden Kompositionen, wie die Oper Der Mann Mose oder ihr Passions-Oratorium Der Gottesknecht.

Am 4. Juni 2001 starb Felicitas Kukuck in Hamburg-Blankenese. Im Jahr 2004 übergab ihre Tochter Margret Johannsen dem Archiv Frau und Musik den umfangreichen Nachlass.

 

Weiterführende Literatur und Quellen

  • Erbengemeinschaft Felicitas Kukuck: Felicitas Kukuck. Leben und Werk der Komponistin, http://www.felicitaskukuck.de.
  • Johannsen, Margret, Felicitas Kukuck, in: Musik und Gender im Internet, https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Felicitas_Kukuck
  • Brandt, Siewert: Interview mit Felicitas Kukuck, [unveröff.], Original im Archiv Frau und Musik, Nachlass Felicitas Kukuck, N-R CD-B-3.
  • Johannsen, Margret: Interview mit Felicitas Kukuck 1-3, 1997 [unveröff.], Original im Archiv Frau und Musik, Nachlass Felicitas Kukuck, N-R CD-B-3.
  • Kukuck, Felicitas: Sonate für Sopran-Blockflöte und Klavier, auf: 1. GEDOK-Konzert 1967 [unveröff.], Quelle: Archiv Frau und Musik, Nachlass Felicitas Kukuck, N-R CD-B-4.
  • Loos, Ulrike: Gespräche mit Felicitas Kukuck über die Musik, 1993.
  • Nordwestdeutscher Rundfunk: Allein zu dir. Neue Musik für Blockflöte und Cembalo, Radiosendung vom 21. April 1953, Quelle: Archiv Frau und Musik, Nachlass Felicitas Kukuck, CD-B-2, Drei Radiosendungen.
  • Exter, Ruth: Felicitas Kukuck. Biographie und Musik einer Komponistin im 20. Jahrhundert. Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung für das Lehramt, Hamburg 1988.

 


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Weitere Aufnahmen finden sich auf der Internetseite der Erb*innen unter: https://www.felicitaskukuck.de/musik_hoeren.htm