Klavierwerke aus dem Archiv #6 – Vorgestellt von Uta Walther

A Prism of Sound von Julia Schwartz

„Über die Geige bin ich zum Gesang, über das Mutterwerden zum Komponieren und über das leere Nest zum Dirigieren gekommen.“[1] Dies berichtet uns die 1963 im US-Bundesstaat Ohio geborene Komponistin, Chorleiterin, Sängerin und Theaterfrau Julia Schwartz. Sie studierte Gesang am Oberlin College Conservatory sowie in München und Musiktheorie am Konservatorium in Zürich. Zudem erwarb sie viele Zertifikate in Chor- und Orchesterleitung an der Hochschule der Künste in Zürich. Ihr international aufgeführtes Oeuvre umfasst Werke für großes sowie Kammerorchester, Musiktheater, Chor und Vokalensemble, ebenso Kammer-, Instrumental- und Vokalmusik in den verschiedensten Besetzungen. Seit 1986 lebt Julia Schwarz in der Schweiz. Sie ist Mitglied im Internationalen Arbeitskreis Archiv Frau und Musik, dort engagiert sie sich auch in der Arbeitsgruppe Forum für vokale Vielfalt. Außerdem ist sie im Vorstand von musica femina münchen aktiv.

Über ihre Musik erzählt die Komponistin unter anderem: „… Meine Musik geht aus intuitiven und improvisatorischen Prozessen hervor, ist daher eher nicht streng in einem musiktheoretischen Sinn …  Sie ist eher modernistisch als avantgardistisch, will die Reise durch ein Stück eher erläutern als verschleiern, eher überraschen als schockieren (mit Ausnahmen!). Will eher vereinen als auseinander zwingen, will trotzdem eigenständig und nicht imitierend sein; eher dramatisch als theatralisch.“[2] Mehr zur Komponistin: www.juliaschwartz.ch     

Das ca. achtminütige Klavierwerk A Prism of Sound komponierte Julia Schwartz 2023. Wie der Titel schon vermuten lässt steht im Mittelpunkt ein Klang:

a – d1 – e1 – g1.

Er ist die Keimzelle, der Kern des Stückes, welches sich in die folgenden Abschnitte gliedern lässt:

A – B – C – C‘ – [A‘ + B‘ searching, at first] – C‘‘ – A‘‘ (final bis zum ff gesteigert). Die Harmonik ist gemäßigt modern und beinhaltet individuell verarbeitete Neostile sowie kantabel-polyphone und homophone Elemente.

Sehr breite, granitblockhafte rhythmisch-synkopisierte Akkorde mit den o.g. Kerntönen, überschrieben mit der Anweisung languid eröffnen das Werk. Sie sind charakteristisch für die A – Teile. Dynamisch finden sich in diesen sowohl krasse subito-Gegensätze als auch allmähliche Entwicklungen, ähnlich einem Prisma mit immer neuen, teils sehr überraschenden Möglichkeiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Der B-Teil fresh, flowing ist ein ausgehend vom Tonmaterial des Ursprungsakkordes kontrapunktisch durchgearbeiteter, ruhig-fließender cantabile-Satz, der gegen Ende homophoner gestaltet ist.

Insgesamt drei Mal kommt der belebte, teils virtuose und immer wieder veränderte C-Teil vor. Auch dieser ist vom o.g. thematischen Tonmaterial hergeleitet. Der Abschnitt erscheint jedes Mal in flotterem Tempo und mit gesteigerter Ausdrucksintensität. Die jeweiligen Spielanweisungen verdeutlichen dies: 1.x moody, 2.x restless, 3.x brilliant, a bit manic. 

A Prism of Sound ist ein überwiegend mittelschweres Werk, dass jedoch einige Erfahrung im polyphonen und melodischen – aber auch im virtuos geführten Doppelgriffspiel erfordert.

Ein Stück für alle Pianst:innen mit Lust auf die Farben, das Licht, den Zauber, die Einzigartigkeit, oder nüchterner ausgedrückt, die phantasievollen Entwicklungsmöglichkeiten eines Kern-Akkordes.

Als Höreindruck sei der Live-Mitschnitt der Uraufführung im Rahmen des 1. musica femina münchen-Salons in der Seidl-Villa München vom 20.06.2025 empfohlen (ab 34:23):


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[1] E-Mail von Julia Schwartz an Uta Walther vom 6. April 2022, hier entnommen aus in/takt 4/2022, S. 6.
[2] Messenger-Nachricht von Julia Schwartz an Uta Walther vom 29. Mai 2022, hier entnommen aus in/takt 4/2022, S. 6.

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