Klavierwerke aus dem Archiv #7 – Vorgestellt von Uta Walther

Ein Klavierwerk aus dem Archiv
vorgestellt von Uta Walther

Mel Bonis (1858–1937): Suite en forme de Valses op. 35/39 für Klavier vierhändig, aus Mel Bonis: Oeuvres pour piano, Volume 8: Pièces à quatre mains B, FURORE-Edition 10025, Furore Verlag Kassel 2009, zu finden im Archiv Frau und Musik unter der Signatur A boni 36b.

Mel Bonis gilt als eine der bedeutendsten französischen spätromantischen Komponistinnen, deren Musik geprägt ist von „einfallsreicher Harmonik“, „mystischer Sinnlichkeit“ und „tiefer Melancholie“.[1] Sie fand trotz ihrer Vorliebe zur Nostalgie und der spürbaren Einflüsse Francks,  Faurés und Debussys ihren eigenen Stil.[2] Nach Bonis‘ Tod vergaß die Musikwelt ihre Werke, in den letzten Jahren jedoch werden sie immer stärker Bestandteil der Konzertprogramme.

Bonis‘ kompositorisches Schaffen umfasst vor allem Klavier-, Kammermusik-, Chor- und Orgelwerke sowie Lieder. Sie wurde 1877 Studentin des Pariser Conservatoire bei Ernest Guiraud. Zuvor war sie bereits Schülerin von César Franck. Melanie Bonis spürte während ihrer Studienzeit die Probleme als Komponistin hinsichtlich der Aufführungs- und Publikationsmöglichkeiten und benutzte seither das geschlechterneutrale Pseudonym Mel Bonis. Nachdem sie sich in ihren Kommilitonen A. L. Hettich verliebte, zwangen ihre Eltern sie, das Konservatorium in ihrem letzten Jahr vor dem Abschluss zu verlassen. Sie suchten und fanden den in ihren Augen passenden Ehemann in Albert Domange, einen weitaus älteren wohlhabenden, verwitweten Geschäftsmann mit fünf Söhnen.

Die junge Komponistin fügte sich in ihre Rolle als Mutter und Ehefrau und gebar drei eheliche Kinder sowie eine weitere Tochter von ihrem Jugendfreund vom Konservatorium. Beide hatten nach einigen Jahren wieder  regelmäßig Kontakt. Der Konflikt zwischen ihren vom katholischen Glauben geprägten Vorstellungen und ihrer realen Situation belastete Bonis zeitlebens. Nachdem ihre Kinder etwas größer waren, konnte sie sich wieder stärker ihrer künstlerischen Tätigkeit widmen. Dies tat sie sehr erfolgreich, wie mehrere Kompositionspreise und weitere Anerkennungen bezeugen. Viele ihrer Werke wurden zu ihren Lebzeiten von französischen Verlagen gedruckt.

Traditionell ist Mel Bonis besonders der Klavier- und der Kammermusik mit Klavier verpflichtet, viele Werke sind der Salonmusik zuzuordnen. Dass diese Stücke keineswegs als musikalisch oberflächlich einzuschätzen sind, zeigt die folgende Äußerung von W. Labhart (1996). Er lobt vor allem ihre Kammermusikwerke in „ihre(r) Mischung von Formvollendung und zarter Expressivität, von instrumentaler Brillanz und fein abgestufter Klangkultur.“[3]

Das gilt auch für Bonis‘ Werke für Klavier zu vier Händen. Sehr treffend ist Lionel Pons‘ Aussage von 2007, dass in ihren Werken „eine Form von Eleganz ist – eine Eleganz, die so tut, als schließe sie die Augen vor ihrer eigenen Tiefe, um sie desto deutlicher hervortreten zu lassen … Hinter der melodischen Leichtigkeit, hinter dieser Musik, bei der man sich mühelos vorstellen kann, dass sie von jungen Mädchen gespielt wird, die eben aus einem Roman von Paul de Kock oder Ponson du Terrail kommen, entdecken wir eine ganze Palette von Gefühlen …, die aus diesen Stücken mehr als einfache Salonromanzen machen.“[4]

Bonis‘ Suite en forme de Valses wurde 1898 bei Alphonse Leduc publiziert, einer der Pariser Verlage, mit denen Mel Bonis häufig zusammenarbeitete. Interessant, und in dieser Zeit häufig praktiziert, ist die Veröffentlichung mehrerer Fassungen für verschiedene Besetzungen:

  1. für Orchester (auch im Archiv Frau und Musik vorhanden, Verlag Alphonse Leduc, ebenso eine Einzelausgabe des Danse sacrée vom selben Verlag)
  2. für Klavier zu zwei Händen „nach der Orchestersuite“
  3. für Klavier zu vier Händen (im Archiv Frau und Musik sowohl in der hier besprochenen Furore-Edition als auch vom Verlag Alphonse Leduc vorhanden)

Alle drei Fassungen weisen unterschiedliche Zusammenstellungen der Sätze auf.

Das vierhändige Werk wiederum existiert auch in zwei verschiedenen Reihenfolgen. Der Furore-Verlag in Kassel, der 2026 sein 40-jähriges Bestehen feiert und Mel Bonis‘ Klaviermusik in neun Bänden editierte, veröffentlichte in seiner Ausgabe die Walzerfolge, die in der Bibliothèque Nationale de Musique in Paris zu finden ist:

  • Ballabile (Mouvement modéré de Valse)
  • Valse lente
  • Scherzo-Valse (Moderato)
  • Danse sacrée (Lento)
  • Interlude et Bacchanale (Più lento – Vivo)

Die sehr charmanten und eleganten sowie interessant kontrastierenden und wohl proportionierten Tanzsätze voller Leichtigkeit und Esprit sind als mittelschwer einzustufen und eignen sich in ihrer Originalität und Vielfältigkeit hervorragend für Konzert, Studium, Unterricht und Hausmusik. Die Aufführungsdauer der gesamten Suite beträgt ca. 15 Minuten.

Voraussichtlich zu hören ist die Suite en forme des Valses von Mel Bonis neben Werken von Florentine Mulsant, Dorothea Hofmann Andrea Huguenin Botelho auch am 8. März 2026, dem Internationalen Frauentag, um 16:00 Uhr im Schloss Britz in Berlin mit den Pianistinnen Andrea Huguenin Botelho und Uta Walther.

Einzelnachweise
[1] Florence Launay/Sabine Kemna: Mel Bonis, in: Annäherungen XII, Furore Edition 803, Kassel, 2001, S. 70.
[2] Ebd. S. 70.
[3] W. Labhart, hier aus Eberhard Mayer/Ingrid Mayer: Vorwort zu Mel Bonis: Ouvres pour Piano, Vol. 8, FURORE-Edition 10025, Kassel 2009, S. 6.
[4] Lionel Pons pour le Bulletin de l’Association de la Musique Francaise, 2007, hier aus Eberhard Mayer/Ingrid Mayer: Vorwort zu Mel Bonis: Ouvres pour Piano, Vol. 8, FURORE-Edition 10025, Kassel 2009, S. 7.

Quellen für diesen Artikel:
♣ Eberhard Mayer/Ingrid Mayer: Vorwort S.6-8 aus Mel Bonis: Oeuvres pour piano, Volume 8: Pièces à quatre mains B, FURORE-Edition 10025, Furore Verlag Kassel 2009, S. 6f.
♣ Florence Launay/Sabine Kemna: Mel Bonis, in Annäherungen XII, Furore Edition 803, Furore Verlag Kassel, 2001, S. 58-77.

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