Nancy Van de Vate (1930–2023) | Nachruf

Nancy Van de Vate © Nancy Van de Vate

Eigentlich sollte diese Meldung nur kurz werden, aber…

“Was? Nein!”, war meine erste Reaktion, als ich eine E-Mail aus Wien öffnete mit der Meldung, dass Nancy Van de Vate dort am 29. Juli in ihrer Wohnung verstorben ist, friedlich: “Sie hat ihre Augen geschlossen und war dann in einem anderen Universum”, so ihre langjährige Wegbegleiterin Annegret Lange von Nancy Van de Vates Tonträgervertrieb.

2018 lernte ich Nancy Van de Vate in Wien persönlich kennen, als ich sie zusammen mit der Komponistin Clio Montrey an einem Spätsommernachmittag besuchte. Schön hatte sie es dort in ihrer hellen, lichten Wohnung mit Blick ins Grüne. Sie hat uns aus ihrem Leben erzählt, zu Frauennetzwerken von damals, von manchem Hindernis und dass es sie so freute, dass sie nun jemanden von unserem Archiv persönlich kannte, weil sie alle ihre Sachen wie neue CDs, Noten oder Programmhefte in regelmäßigen Abständen zu uns nach Frankfurt schickte.

Dort befindet sich mit 111 Noten, 60 Aufnahmen sowie Diverses an Grauer Literatur ‘nur’ der kleine Teil ihres immens reichhaltigen Schaffens. Das Hauptwerk wurde bereits in die Musikabteilung der Österreichischen Nationalbibliothek eingebracht mit 773 Korrespondenzdokumenten, 416 Musikdrucken, 235 Musikhandschriften, 162 Tonträgern (teils aus ihrem eigenen Platten-Label Vienna Modern Masters) und 85 Lebensdokumenten – eine Menge, aus der Forschende nun reichhaltig schöpfen können.

Sie war ihrer Zeit voraus, als sie früh begann, sich auch mit elektronischer Musik auseinanderzusetzen. Erstaunend ihre Opern wie zum Beispiel die Vertonung von Erich Maria Remarques Buch Im Westen nichts Neues oder ihr Orchesterwerk Tschernobyl als unmittelbare Reaktion auf diese Weltkatastrophe, stets auf der Höhe der Zeit mit eindrücklicher, aber auch mutmachender Musik. Themen, die in den letzten Jahren Oscar- und preisgekrönt im Kino und im Fernsehen zu Hits wurden.

Vor einigen Jahren besuchte sie der Bayerische Rundfunk für eine kleine Dokumentation. Eine große Dokumentation zu ihrem Leben wäre noch eine schöne und notwendige Aufgabe, weil sie zu den bedeutendsten Komponistinnen des 20. Jahrhunderts zählt.

Liebe Nancy, vielen Dank für all das Gute! Es war schön, dass du uns junge Frauen damals so empowert hast. Mach’s gut whereever you are now.

YouTube-Video zur BR-Kurzdoku:


Wenn Sie dieses Video ansehen, erklären Sie sich einverstanden mit den Datenschutzrichtlinen von Youtube.

Nachruf des ORF (31. Juli 2023)
Nachruf der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik (31. Juli 2023)
Zu ihren Auszeichnungen, Tätigkeiten, Aufträge, Pressestimmen etc.