Thementag: Tsippi Fleischer

Am 30. Oktober 2016 begingen wir in unserem Archiv einen wahrhaft großartigen Tag, beginnend mit der Begrüßung der ca. 30 von ganz Deutschland aus angereisten Gäste – darunter eines der Gründungsmitglieder des IAK, Siegrid Ernst – durch den Vorstand Dr. Vera Lasch und Mary Ellen Kitchens.

Leider fiel Dr. Eva Weissweiler krankheitsbedingt aus, sodass Mary Ellen Kitchens und Susanne Wosnitzka ihre Vortragszeit übernahmen und in ihrem Vortrag Durchbruch oder Modeerscheinung? Wie verankern wir die Integration von Komponistinnen und Dirigentinnen in das Musikgeschäft die Entwicklungen, aktuellen Aktivitäten und Erkenntnisse des letzten und dieses Jahres zu Frauen im Musikbetrieb anhand chronologischer Marksteine und Statistiken anschaulich beleuchteten: Wo standen wir vor zwei Jahren, wo steht die Musikwelt heute, wo kann sie in zwei Jahren stehen, wenn wir alle im Verbund mit unserer Lobbyarbeit so weitermachen?

Das Publikum war aufgefordert, die darin für sie zentralsten positiven Entwicklungen zu benennen, zu begründen und dadurch diese Schwerpunktarbeit in ihren eigenen Bereichen anzusprechen und zu diskutieren. Diese waren insbesondere die Bereiche Schulbildung sowie Support von Komponistinnen und Dirigentinnen auch als sichtbare Vorbilder.

Eines der Hauptthemen der nach dem Eingangsvortrag stattfindenden Mitgliederversammlung war die weiterhin extrem schwierige finanzielle Situation des Archivs, wodurch vor allem die institutionelle Arbeit stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Gemeinsam arbeiten wir an Lösungen – tags zuvor fand das Jahrestreffen des i.d.a.-Dachverbands statt, das Mary Ellen Kitchens und unsere Mitarbeiterin Daniela Weber besucht haben und dadurch auch den Kölner Bayenturm sowie die emma-Redaktion und Alice Schwarzer persönlich kennenlernen konnten. Im Austausch mit den Mitarbeiterinnen anderer Frauenarchive wurden aktuelle Ereignisse wie eine Aufnahme in Fördermaßnahmen im Rahmen der Realisierung des Deutschen Digitalen Frauenarchivs (DDF, Berlin) diskutiert.

Als Abschluss der Jahreshauptversammlung wurde an Dr. Vera Lasch durch den Vorstand des Frankfurter Tonkünstlerverbands – vertreten durch Dietburg Spohr und Heike Matthiesen – eine Spende von 400 € überreicht, die als Ertrag aus einem Benefizkonzert (25 Jahre deutsche Einheit – Musik von Komponistinnen und Komponisten aus BRD und DDR, Juni 2015) zusammengekommen war. Wir danken von Herzen!

Begleitend zur offenen Mitgliederversammlung erhielten Interessierte eine Führung durch die Räumlichkeiten und Einsicht in die Bestände des Archivs. Ein gemeinsames Mittagessen bot Raum für weiteren und so wichtigen Austausch und Vernetzung.

Nachmittags beglückte Margarita Feinstein mit ihrem feinsinnig-kraftvollen Vortrag von Musik jüdischer Komponistinnen bzw. jüdisch angedachter Musik. Das Programm reichte von Clara Schumanns Le Sabbat, über der Polonaise in f-Moll von Maria Szymanowska, dem Haiku von Jekaterina Tschemberdschi, dem Gambrinus von Ludmilla Zhubinskaya bis zum Werk In Chromatic Mood von Tsippi Fleischer, das gleichzeitig in das Highlight des Tages, in die deutsche Erstaufführung ihrer neuen Video-Oper Adapa überleitete. Archivmitarbeiter und Kirchenmusiker Matthias Gerhold stellte die aus Haifa stammende Komponistin vor und gab Einblick in ihr Schaffen. Frau Fleischer, die dieses Jahr ihren 70. Geburtstag feierte, war zur Präsentation ihres neuen Werks in Deutschland speziell angereist.

Das mit starken visuellen Eindrücken wie Wüsten- und Meeresbildern, vermischt mit einprägsamen klanglichen Erlebnissen verarbeitete Werk, eröffnete Tsippi Fleischer in ihren instrumentellen Möglichkeiten brillant. „We should not be sad about the fact that we lost eternal life because death inspires our life very actively“, so der Grundton der Botschaft der Video-Oper:

„Die Monumentalbesetzung von drei großen Chören mit außerordentlich dramatischen Einsätzen, großem Orchester und verschiedenen Solistinnen und Solisten versinnbildlicht das carpe-diem. Grandeur versprüht auch die ‚pictorial quality‘ sowie der Einsatz der modernen Medien: So ist z. B. das Bühnenbild mit Computertechnik entworfen. Der für das Werk Fleischers charakteristische Einsatz exotischer Elemente spiegelt sich besonders in der musikalischen Gestaltung wider – durch den vielfältigen Rückgriff auf Vierteltöne.“ (Auszug aus dem Programmheft)

Im Anschluss an die bejubelte Aufführung, zu der auch zwei Gesangssolisten der Adapa-Aufnahme angereist waren, entwickelte sich eine angeregte Diskussion mit Tsippi Fleischer. Die Sonderausgabe der VivaVoce zu ihrem Leben und Werk war schnell vergriffen, ein Nachdruck ist bereits in Arbeit.

„Wie immer voller Elan und Anregungen die Tagung genossen. Danke an alle Helfer_innen.“ (Siegrid Ernst)

„Vielen Dank für diesen bereichernden Tag!“ (Renate Küchler)

„Vielen Dank für die äußerst kompetente Führung durch Frau Brendel durch das Musikarchiv.“ (Sylva Bouchard-Beier)

Wir danken allen unseren Unterstützer*innen, den vielen helfenden Händen, die diesen Tag ermöglichten!